Herbert Grönemeyer

Nackt Im Wind

Herbert Grönemeyer


nur einpaar breitengrade tiefer,
paar längengrade,
dann nach links,
stößt unsere phantasie an grenzen,
dort, wo die stummsten schreie sind.

in labyrinthen,
unvorstellbar,
eiskalter höllenlavastrom,
der keine gnade kennt,
nur zuschlägt,
der selten zögert,
nie verschont.

hier fordern sünden unserer ahnen,
unsere stumpfheit ihr tribut.
"keine gefangenen!", die parole,
"hier wird bezahlt mit fleisch und blut!"

nackt im wind,
der brüllt und wütet,
im orkan,
der menschen frißt.
nackt im wind, der planlos tötet,
weil er weiß, daß man ihn schnell vergißt.

gebete an dämonen, götter -
anscheinend interessiert die nicht,
daß unsere abendbrotkulisse
auf karten hofft,
die neu gemischt.

wir werfen münzen hoch und warten,
daß weder zahl, noch krone kommt,
damit auch diesmal keiner schuld hat
und jeder sein gewissen schont.

nur einpaar breitengrade südlich
und dann nach osten weint ein kind.
noch ehe dieses lied hier ausklingt,
verhungert es,
stirbt nackt im wind.

nackt im wind,
der brüllt und wütet,
im orkan,
der menschen frißt.
nackt im wind, der planlos tötet,
weil er weiß, daß man ihn schnell vergißt.

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